from Vita 34 AG (isin : DE000A0BL849)
Original-Research: Vita 34 AG (von Montega AG): Halten
Original-Research: Vita 34 AG - von Montega AG
Einstufung von Montega AG zu Vita 34 AG
Unternehmen: Vita 34 AG
ISIN: DE000A0BL849
Anlass der Studie: Update
Empfehlung: Halten
seit: 10.05.2023
Kursziel: 7,50 Euro
Kursziel auf Sicht von: 12 Monaten
Letzte Ratingänderung: -
Analyst: Tim Kruse, CFA; Nils Scharwächter
IFRS 15-Effekte und hohe Impairments bestimmen die Entwicklung in 2022 – Aussicht auf „Back-to-Normal“ für 2023
Die Vita 34 AG hat am 30.04. den Konzernfinanzbericht für das abgelaufene Geschäftsjahr veröffentlicht, nachdem im Vorfeld bereits vorläufige Zahlen für das FY 2022 sowie ein Ausblick für 2023 gegeben wurden.
Umsatz und EBITDA in 2022 durch operative Herausforderungen und IFRS 15 geprägt: Neben den herausfordernden externen Rahmenbedingungen durch die steigende Inflation sowie den internen Hürden im Rahmen der Post Merger Integration war das Jahr 2022 vor allem durch den IFRS 15-Effekt geprägt. Zur Erinnerung: Beide Teilkonzerne haben bislang gemäß IFRS 15 einen Großteil der über die Laufzeit vereinbarten Zahlungen bei Vertragsabschluss als Umsatz realisiert (zwischen 70-90% je nach Land und Vertrag), da die realen Kündigungsquoten äußerst gering sind (< 5%) und der Großteil der Kosten zu Beginn der Laufzeit durch die Aufbereitung der Präparate anfällt. Im Gegensatz zu den Verträgen bei Vita 34 sahen die Klauseln bei PBKM aus Verbraucherschutz- und Marketinggründen jedoch eine juristische Kündigungsmöglichkeit vor. Im Zuge der Konzernabschlussprüfung 2021 hat sich PwC in Deutschland entgegen des bisherigen Vorgehens von PwC in Polen bei der Auslegung von IFRS 15 auf die tatsächliche Vertragsgestaltung gestützt (Legalitätsprinzip) und die vorzeitige Erlösrealisierung bei PBKM untersagt und rückwirkend für alle relevanten Perioden angepasst, d.h. der Umsatz von PBKM wurde nachträglich gemindert und abgegrenzt. Folglich hat das Unternehmen in 2022 in Abstimmung mit den Wirtschaftsprüfern diverse Anpassungen der Neuverträge vorgenommen, um eine Harmonisierung in der Rechnungslegung beider Konzernteile herbeizuführen. Diese haben sich bis in das vierte Quartal 2022 gezogen und so in Summe zu einem negativen Sondereffekt von 9 Mio. Euro geführt, der in gleicher Höhe umsatz- und ergebniswirksam war (siehe Tabelle). Hinzu kamen vorgezogene Kosten im Rahmen der Post Merger Integration, die sich laut Q3-Bericht auf rd. 1 Mio. Euro belaufen und vor allem Standortmaßnahmen in Polen, Portugal, Spanien und der Schweiz betroffen haben.
[ABBILDUNG]
Nettoergebnis von Impairments im Teilkonzern PBKM geprägt – unterstellte Wachstumsraten bergen u.E. Gefahr weiterer Abschreibungen: Im Rahmen des Jahresabschlusses hat die Vita 34 außerordentliche Impairments in Höhe von insgesamt 15,2 Mio. Euro vorgenommen, die neben dem operativen Verlust zu einem Konzernergebnis von -27,4 Mio. Euro geführt haben (VJ: -3,9 Mio. Euro). Die Abschreibungen betreffen im Wesentlichen die Tochtergesellschaften Stemlab (11,9 Mio. Euro) und Sevibe (1,9 Mio. Euro). PBKM hatte Stemlab in 2018 für 17,5 Mio. Euro übernommen. Das Unternehmen ist, wie auch Sevibe, in Portugal und Spanien aktiv. Obwohl die Abschreibungen vor allem durch die gestiegenen Abzinsungsfaktoren bedingt sein sollten (jeweils +640BP ggü. 2021), dürften die im vorigen Absatz erwähnten Strukturanpassungen vermutlich auch operativen Herausforderungen in diesen Ländern geschuldet sein. In diesem Zusammenhang sind u.E. die in dem Werthaltigkeitstest berücksichtigten, zukunftsgerichteten Wachstumsraten der zahlungsmittelgenerierenden Einheiten bemerkenswert. So haben sich die unterstellten Wachstumsraten bei einigen Einheiten gegenüber den Werten des Vorjahres deutlich erhöht (s. untenstehende Tabelle). Zwar gehen wir mit der Darstellung im Lagebericht einher, dass sich die negativen Einflüsse durch Inflation sowie den Krieg in der Ukraine in 2023 signifikant reduzieren dürften, sehen jedoch bei einigen Gesellschaften die Gefahr zusätzlicher Impairments.
[TABELLE]
So sind im Kernmarkt Deutschland nach Angaben von DESTATIS die Geburten im Jahr 2022 gegenüber den Jahren 2019 bis 2021 um 5,5% zurückgegangen und lagen auch im Januar 2023 unter dem bereits schwachen Wert des Jahres 2022 (Laut DESTATIS war in den Monaten Januar bis April ein Rückgang von 8-9% im Vergleich zum jeweiligen Monatsdurchschnitt der Jahre 2019 bis 2021 zu verzeichnen). Auch wenn in Deutschland spürbares Wachstumspotenzial durch Preiserhöhungen (zweistelliger Anstieg für 2023 visibel) sowie eine weitere Marktdurchdringung besteht (Penetrationsrate in DE von 0,7% , die in anderen europäischen Ländern ein vielfaches betragen), sehen wir die unterstellten Wachstumsraten von 11,4% p.a. über die nächsten fünf Jahre für die Vita 34 AG als ambitioniert an.
Deutlich negativer Cash Flow in 2022 – Going Concern durch Patronatserklärung von AOC sichergestellt: Die Zahlungsmittel betrugen zum 31.12.2022 16,3 Mio. Euro, was einem Rückgang von 16,6 Mio. Euro gegenüber dem Wert des Vorjahres entspricht. Neben dem negativen operativen Cashflow von -4,5 Mio. Euro war dieser auf die Investitionen in Höhe von 5,8 Mio. Euro (insbesondere in die neuen Geschäftsbereiche CAR-T und CDMO) sowie den Cashflow aus Finanzierungstätigkeit von -6,3 Mio. Euro (Rückführung in beiden Teilkonzernen) zurückzuführen. Da in 2023 weitere 13,8 Mio. Euro zur Refinanzierung anstehen, und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich in 2023 zwar verbessern aber noch mit vielen Unsicherheiten behaftet sind, hat PwC für die Ausstellung des Going Concern eine zusätzliche Sicherheit verlangt. Entsprechend hat der Mehrheitsgesellschafter AOC eine bis zum 15. Mai 2024 befristete Patronatserklärung in Höhe von bis zu 10 Mio. Euro ausgestellt, die eine ausreichende Liquidität bis zum Abschluss der Refinanzierung garantiert. Diese sollte laut Aussage des Managements noch in der ersten Jahreshälfte 2023 stehen.
Prognose 2023 – Aussicht auf Stabilität im Kerngeschäft, Innovationsdruck in den neuen Geschäftsfeldern hoch: Neben der Refinanzierung sollte die Rückkehr des Unternehmens auf einen Wachstumspfad und eine Steigerung der Profitabilität im Vordergrund stehen – insbesondere was das Kerngeschäft betrifft. Unter der Annahme konstanter Wechselkurse erwartet das Unternehmen entsprechend einen Konzernumsatz im Bereich von 75 bis 82 Mio. Euro sowie ein EBITDA in der Bandreite von 5,5 bis 7,0 Mio. Euro. Gegenüber dem Vorjahr sind in der Prognose positive Effekte aus IFRS 15 in Höhe von 5,7 Mio. Euro enthalten, die jedoch nicht liquiditätswirksam sind. Nach Aussagen des Managements werden gruppenweit nun alle Verträge (Vorauszahler und Abo-Modell) mit einer erlöswirksamen Laufzeit von ca. 10 Jahren erfasst und zum überwiegenden Teil als Umsatz realisiert, da der Aufwand für die Herstellung des Zelldepots den der Einlagerung (Mehrkomponentengeschäft) um ein Vielfaches übersteigt. Ceteris Paribus sollten also Diskrepanzen zwischen dem operativen Cashflow und dem EBITDA im Wesentlichen aus dem Verhältnis von Verträgen mit Vorauszahlung zu Verträgen mit Abo-Zahlung resultieren. Derzeit dürfte die Quote der Vorauszahler nach unserer Einschätzung bei PBKM bei ca. 25% und bei Vita 34 ca. 75% betragen.
Abgesehen von der komplexen buchhalterischen Darstellung können wir an dieser Stelle nur wiederholen, dass wir das Stammgeschäft für die Einlagerung von Nabelschnurblut und -gewebe als attraktiv erachten, da die langen Vertragslaufzeiten und extrem niedrigen Abbruchraten ein attraktives Cashflow-Profil ermöglichen. Vita 34 hat mit dem Zusammenschluss mit PBKM die klare Marktdominanz in diesem Geschäft in Europa eingenommen. Der Aufbruch in die neuen Geschäftsfelder der Zell- & Gentherapien sowie CDMO hat die Profitabilität des Stammgeschäfts überlagert und ist u.E. vom Risikoprofil deutlich intransparenter. Gerade bei der CAR-T-Therapie herrscht ein hoher Innovations- und Kostendruck, was nicht zuletzt das von der Fraunhofer-Gesellschaft vermeldete RNAuto-Projekt verdeutlicht.
Fazit: Wir haben unsere Prognosen für 2023 ff. im Hinblick auf die Guidance nach oben angepasst, gleichzeitig aber unsere langfristige EBIT-Erwartung wegen des hohen Innovationsdrucks im Bereich CAR-T und CDMO sowie der aktuell verhaltenen operativen Ergebnislage im Stammgeschäft reduziert (14% EBIT-Marge vs. zuvor: 16,5%). Das Stammgeschäft bleibt für uns grundsätzliche attraktiv, wenngleich die Ertragsqualität durch die neuen Geschäftsfelder überlagert wird, deren Chance-Risiko-Profil deutlich weniger greifbar ist. Wir behalten daher unser „Halten“-Rating mit einem reduzierten Kursziel von 7,50 Euro bei (zuvor: 10,00 Euro).
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